Warum war Herr Schlegel so kregel?

“Warum war Herr Schlegel so kregel? Drei Versuche einer Antwort
    1. Versuch
    Herrn Schlegel war, als ob wer riefe,
    und zwar die Worte »Briefe, Briefe!«
    Worauf er aus der Haustür ging,
    woselbst er einen Brief empfing,
    den er in einem Zug erbrach,
    womit er völlig richtig lag.
    Denn in dem Brief schrieb ihm Herr Fichte:
    »Ich schick' Dir heut noch meine Nichte,
    die sollst Du, mag sie noch so maulen,
    an drei verschied'nen Stellen kraulen.
    Dafür erhältst Du 50 Mark,
    mein guter Freund, ich hoffe stark« -
    In diesem Tonfall ging es weiter,
    das stimmte den Herrn Schlegel heiter.
    2. Versuch
    Herr Schlegel liebte es, sich Zahlen
    und Ziffern auf das Bein zu malen,
    das er dann en passant entblößte,
    was stets ein Streitgespräch auslöste.
    So lobte Goethe diese Sitte,
    im Gegensatz zu Schiller, dritte
    enthielten sich der Stellungnahmen,
    und andre, vorzugsweise Damen,
    betasteten mit flinken Händen
    die Zahlen auf des Dichters Lenden,
    so daß Herr Schlegel Jahr um Jahr
    der Mittelpunkt der Feiern war.
    3. Versuch
    Herr Schlegel kam – aus welchem Grund
    auch immer – einst zum Öresund,
    fand dort sehr schnell ein Bierlokal
    und sprach zu sich: »Na schau'n wir mal,
    ob unser alter Freund Novalis
    nicht ebenfalls in diesem Saal is'!«
    Und richtig! Denn wer stand am Tresen?
    Na, das ist ein Hallo gewesen!
    War das ein Jubeln, das ein Winken,
    ein Schwatzen, Scherzen, Juchzen, Trinken -
    sogar die kühlen Dänen staunten
    beim Anblick dieser Gutgelaunten.”

Robert W. Gernhardt

Foto: Colette Dörrwand

Collage: Jenny Rempel

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Die entstellten Erben Novalis´- Ein Destruktionsversuch der Epoche der Romantik von Claudia Simone Dorchain

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Das zweite Lichtlein brennt